Beinahe im englischen Knast!
Wenn einer eine Reise tut kann er was erleben.
Man muss gar nicht mal ans andere Ende der Welt fahren, um mit Polizei und Gesetz in Konflikt zu geraten. Vorsicht ist auch schon in Nachbarländern geboten.
Gemeinsam mit Jan Nelkenbrecher war ich 2008 beim Drachenfest Margate in Südengland. Der Samstag war ein super Drachentag gewesen, schöner Strand, leichter Wind und Sonnenschein. Wie in England üblich, wurde pünktlich zur Teatime um 17:00 das offizielle Programm beendet und die Drachen eingepackt. Obwohl noch guter Wind war, packten wir dann auch nach und nach ein. Mittlerweile war es schon fast 18:00 geworden und nur noch Lurchi schwebte als letzter Drachen am britischen Himmel. Drachenfestveranstalter und fast alle Drachenflieger waren schon in das nahe gelegene Hotel verschwunden. Während wir noch am Einpacken waren, kamen immer wieder Kinder in das abgesperrte Flugfeld, sprangen unter Lurchi hoch und versuchten die Beine zu fangen. Ich kannte diese Spielchen von anderen Festen und lies die Kids zunächst gewähren. Der Wind liess nach und die Chancen für die Kinder änderten sich.
Als sie dann schließlich Beine und Schwanz fangen konnten und Lurchi daran zu Boden zogen, wurde es mir doch zu viel und ich forderte sie auf, das doch bitte zu unterlassen und das Flugfeld bis hinter die Absperrung zu verlassen. Kaum hatte ich mich abgewandt, kamen sie aber erneut. Das Spiel wiederholte sich einige Male und besonders dreist war dabei ein ca. 5-jähriger Junge. Er klammerte sich vehement an Lurchis Schwanz und hielt sich da wie ein kleines Äffchen krampfhaft fest. Trotz mehrfacher Aufforderung liess er nicht los und kam immer wieder ins Feld zurück. Irgendwann reichte es mir und ich griff den Jungen an den Oberarmen und setzte ihn außerhalb der Absperrung in den Sand. In dem Moment fing er hysterisch an zu Schreien und brüllte nach seiner Mama. Eine sämtliche Vorurteile bestätigende Engländerin, mit Säugling auf dem Arm, Zigarette im Mund und Handy am Ohr, kam dann herbeigestürzt. Ohne Vorwarnung zeterte sie los, was ich mit ihrem Sohn gemacht hätte, ich hätte ihn verletzt und ob ich nicht wüsste, was in England auf Kindesmisshandlung stünde. Je mehr sie zeterte, umso mehr schrie der Junge. Meine Erklärungsversuche von wegen abgesperrtes Flugfeld und Gefährdung etc. hörte sie überhaupt nicht an und meinte schließlich, ihr würde es jetzt reichen und sie würde die Polizei rufen. Wie in einem schlechten Film passierte das dann wirklich und bereits wenige Minuten später hörte man Martinshörner und die Polizei kam mit Blaulicht angerast. Die hysterische Frau berichtete den Polizisten die darauf mich zur Rede stellten. Auch ich durfte dann meine Version nochmals erzählen, ohne auf wirkliches Verständnis bei den Polizisten zu stoßen. Sicher hatten sie ja auch keine Vorstellung von der Größe, möglicher Gefährdung und Wert der Drachen. Sie klärten mich über ‚British Law’ auf und die strenge Verfolgung gerade von Kindeswohlgefährdung. Meine Erläuterungen, dass ich in Deutschland als Sozialarbeiter tätig sei und unter anderem mit benachteiligten Kindern arbeite, schien sie dann doch an meiner angeblichen Schuld zweifeln zu lassen. Sie rieten mir trotzdem, mich bei dem Jungen und bei der Mutter zu entschuldigen. Wenn die Mutter eine Anzeige erstatten würde, hätten sie mich zu verhaften. Da wurde mir dann doch etwas anders, im englischen Knast wollte ich den Rest des Drachenfestes wirklich nicht verbringen. Als dann einige andere Drachenflieger noch des Weges kamen und von dem Vorgefallenem erfuhren, machte die Story natürlich sofort im Hotel die Runde. Unter dem Motto ‚Bernhard is arrested!’, war für abendlichen Gesprächsstoff unter den Drachenfliegern gesorgt.
Bernhard